Erste Eindrücke – endlich!

Nun bin ich schon über einen Monat hier und habe es noch zu keinem Blogeintrag mit wirklichem Inhalt gebracht – Schande über mich. Die fehlenden Einträge sind aber symptomatisch für mein Leben hier: alles passiert so schnell und Schlag auf Schlag, dass ich einfach noch nicht dazu gekommen bin. Also widme ich nun Mittwoch Nacht statt lateinischer Paläographie (alte Schriften auf mittelalterlichen Manuskripten entziffern) und Mittellatein meinem Blog.
Beginnen wir mit Berichten aus der Uni, schliesslich ist es mein Studium, das mir überhaupt den Aufenthalt in London ermöglicht. Mein einjähriger Master an der UCL in Medieval and Renaissance Studies ist in drei Semester aufgeteilt. (Dies im Gegensatz zum Schweizer System, das nur zwei Semester pro Jahr kennt.) Während das dritte für die Masterarbeit („Dissertation“) reserviert ist, sind die ersten beiden Semester dem Unterricht gewidmet. Ich durfte drei Kurse aus dem sehr reichhaltigen Angebot (http://www.ucl.ac.uk/mars/ma-degree/optional-courses ) auswählen, davon musste einer ein Sprachkurs sein. Ich entschied mich für Mittellatein, mittelalterliches Französisch und altisländische Paläographie (also die Transkription mittelalterlicher Schriften in altisländischen Manuskripten). Durch mehrere Kommunikationspannen seitens der Uni wurde der Kurs Altisländische Paläographie ausgeschrieben, obwohl der Kursleiter ein von zwei Semestern nicht an der Uni unterrichtet. So ist eingetroffen, was bei mir irgendwie immer einzutreffen scheint: ich besuche mehr Kurse als eigentlich vorgesehen. Ich mache nun die Hälfte des Kurses Altisländische Paläographie nächstes Semester und dazu eine leicht reduzierte Version des Kurses für mittelalterliche lateinische Paläographie („Medieval Manuscripts and Documents“). Latein und Paläographie sind Kurse mit eher hoher Präsenzzeit (vier bis sechs Stunden pro Woche pro Kurs). Alle Kurse sind sehr „handwerklich“ angelegt, das heisst, dass ich viel auswendig lernen (Latein) oder zuhause üben (Manuskripttranskriptionen und Französischübersetzungen) muss. Das fällt mir schwerer als eine historische Quelle zu interpretieren, was mehr Lernaufwand für mich bedeutet. Es fällt mir einfacher „grosse“ Ideen zu haben als hilfswissenschaftliche Knochenarbeit zu leisten. Eigentlich nicht weiter erstaunlich 😉
Der Campus ist von schlichter Schönheit, wenn auch nicht ganz so zauberhaft wie in Oxford und Cambridge.

Die Eingangshalle der Bibliothek wurde besonders schön ausgestaltet.

(Wer den Film Inception mit Leonardo Dicaprio gesehen hat, kann die Bibliothek wiedererkennen, was zu schwärmerischen Erzählungen des Bibliothekar geführt hat: „Leo standing in the corner looking very masculine . And he shook my hand!“)

Das University College London (UCL) ist zusammen mit achtzehn weiteren Universitäten und zwölf Forschungsinstituten Teil der University of London. Wie der Name schon sagt sind alle 31 Institutionen in London angesiedelt. Die berühmtesten sind neben UCL (Gesamtuniversität, die alle Fachrichtungen anbietet) das King’s College, die London School of Economics (nur Business und wirtschaftsverbundene Fächer), das Imperial College (nur Naturwissenschaften), die London School of Oriental and African History (kurz SOAS, alle Fachbereiche werden angeboten, aber mit einer klaren geographischen Ausrichtung auf Afrika und Asien) und die Queen Mary University (Gesamtuniversität). Es herrscht eine typisch britische Rivalität zwischen den Universitäten, die obwohl spielerisch doch einen ernsten Kern hat. Ratings gelten viel im UK, sehr viel mehr als in der Schweiz. Cambridge und Oxford sind die unangefochtenen Eliteuniversitäten Englands, wobei Cambridge den Ruf hat etwas innovativer und besser zu sein als Oxford. UCL ist die Nummer drei, weswegen es ein üblicher Witz ist UCL StudentInnen als abgelehnte Cambridge/Oxford („Oxbridge“) BewerberInnen zu sehen. King’s StudentInnen wurden wiederum von UCL abgelehnt, während sich in SOAS nur Linke und Alternative finden. Wer des Englischen mächtig ist kann hier (http://ih-times.blogspot.com/2011/10/college-cliches.html ) eine humoristische Auflistung der gängigen Vorurteile lesen -und ja, der Spitzname für UCL-Studis ist tatsächlich Godless Scum of Gower Street. Meine eigene Erfahrung hat übrigens gezeigt, dass die Klischees in einem überraschend starken Mass zutreffen.

Mehr von meinem Studentenleben, London und dem momentan prägendsten Faktor meines Aufenthalts in London, meinem Studentenheim, kommt so schnell wie möglich.

3 Gedanken zu „Erste Eindrücke – endlich!

  1. Cool, du lebst also doch noch 😀
    sieht ja echt schön aus auf deinen bildern…
    ich hoffe du geniesst deinen aufenthalt und lernst schön fleissig 🙂
    ich warte gespannt auf weitere einträge…

    Gruss Roman

  2. Schön, von dir zu hören! Dachte schon, dass ich alle deine Einträge verpasst habe…..
    „Altisländische Paläographie“ tönt richtig knackig!
    Viel Spass, eine gute Zeit und herzliche Grüsse!
    Judith

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